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Krebsfrüherkennung: Erfolge, Chancen und Risiken

Niemals zuvor war das medizinische Wissen über Krebserkrankungen so groß wie heute. Krebs kann heute in vielen Fällen geheilt werden. Eine Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Krankheit so früh wie möglich erkannt wird. Wird der Tumor im Frühstadium entdeckt, können bei manchen Krebsarten neun von zehn Erkrankten geheilt werden. Dennoch nutzt nur jede zweite Frau über 20 und jeder fünfte Mann über 45 die kostenlosen Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung.

Im frühen Stadium ist eine Heilung oft möglich

Arztgespräch
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Die Möglichkeiten zur Krebsfrüherkennung werden nicht ausreichend genutzt, obgleich die Folgen schwerwiegend sein können. Denn wie groß die Chance ist, das ungehemmte Zellwachstum wieder zu zügeln, hängt wesentlich davon ab, in welchem Stadium es entdeckt wird. Bei einigen Krebsarten wie Darm- und Gebärmutterhalskrebs können schon die Vorformen einer bösartigen Geschwulst entdeckt und entfernt werden, sodass sich Krebs gar nicht erst entwickeln kann. Bei anderen Krebsarten gibt es effiziente Methoden zur Früherkennung. Sogar durch regelmäßige Selbstuntersuchung lassen sich bestimmte Krebsarten wie Haut- oder Hodenkrebs früher erkennen.

Wie ist der Stand in Deutschland?

„Den“ Krebs gibt es nicht. Bekannt sind über 100 verschiedene bösartige Formen. Ebenso variantenreich sind die ärztlichen Fachdisziplinen, die sich mit der Bekämpfung von Krebs befassen. Und sie sind erfolgreich: Die nach dem Alter berechneten Sterberaten an Krebs gingen im letzten Jahrzehnt bei Männern um 17 Prozent und bei Frauen um elf Prozent zurück. Die größten Verbesserungen in den Überlebensraten erwachsener Krebspatienten in den letzten 25 Jahren gab es bei Brustkrebs, Darmkrebs und Prostatakrebs. Das ist vor allem auf die entsprechenden Vorsorgeuntersuchungen zurückzuführen.

In Deutschland haben sich derzeit die vier Früherkennungsprogramme zu Brustkrebs, Zervixkarzinom, Hautkrebs und Darmkrebs etabliert Richtig effizient gestaltet sich derzeit jedoch nur das Brustkrebsscreening.

Das Brustkrebsscreening kann als Paradebeispiel der evidenzbasierten Medizin betrachtet werden. Durch die wirkungsvolle Diagnostik nehmen seit der 2005 vorgenommenen Einführung des Screenings die fortgeschrittenen Tumorstadien ab. Die Folgen davon reichen sogar bis weit in die Zukunft: Eine deutliche Senkung der Bruststerblichkeit ist zu erwarten. Und das Screening erreicht sogar noch mehr: Durch die gute Anbindung an das Krebsregister kann die Brustkrebsforschung intensiver und effizienter betrieben werden.  

Beim Gebärmutterhalskrebs dagegen besteht noch ordentlicher Nachholbedarf: Lediglich 31% der unter 15-Jährigen wurde geimpft und nur 43% der 17-Jährigen. Bedenkt man, dass jährlich 4.500 Frauen an Gebärmutterhalskrebs erkranken und 1.500 daran sterben, sind das schlechte Zahlen. Dennoch lassen  sich aus den Ergebnissen positive Resultate ziehen: HPV-Infektionen traten bei geimpften Frauen wesentlich seltener auf. Die HPV-Impfung scheint zudem vor seltenen Krebsarten wie Scheiden-, Schamlippen- oder Peniskrebs sowie Analkrebs bzw. deren Vorstufen zu schützen, die ebenfalls mit HPV 16 und 18 im Zusammenhang stehen. Ab 2018 soll eine gleichzeitige Testung mittels Zytologie und HPV-Test alle drei Jahre die Krebserkrankungsraten weiter senken.

Was lässt sich verbessern?

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Dass ein Screeningverfahren bei vielen Krebsarten Sinn ergibt, beweisen derzeit zahlreiche randomisierte Studien. Beispielsweise konnte bei einer großen amerikanischen Studie nachgewiesen werden, dass sich durch ein regelmäßiges CT-Screening die Lungenkrebsmortalität bei Rauchern und Ex-Rauchern signifikant reduzieren ließ.

Problematisch sind jedoch die häufig auftretenden falsch-positiven Befunde, die den Patienten bis zur nachfolgenden Untersuchung mit einer enormen psychischen Belastung allein lassen. Dennoch sprechen die meist deutlich reduzierten Krankheits- und Todesraten für die Früherkennungsmaßnahmen. Was also noch fehlt sind qualitätsgesicherte Untersuchungen, die präzise und zuverlässig den individuellen Gesundheitszustand anzeigen.

Ein weiteres Problem ist die Finanzierung der manchmal kostspieligen Früherkennungsmaßnahmen. Bei häufig auftretenden Krebsarten wie dem Lungenkrebs wird deshalb überlegt, die Empfehlung zur Früherkennung auf einen bestimmten Personenkreis zu beschränken.

Tatsächlich ist vielen Menschen der Anspruch auf eine entsprechende Früherkennungsuntersuchung gar nicht bekannt. Von gut 1.000 Befragten wusste in einer Studie von 2015 die Hälfte beispielsweise nicht, dass das Hautkrebsscreening von den deutschen gesetzlichen Krankenkassen für alle Versicherten ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre übernommen wird. Dementsprechend groß scheint der Bedarf an weiteren gezielten Aufklärungsmaßnahmen zu sein. Das könnte zum Beispiel in Form von erweiterten Einladungsverfahren oder Werbekampagnen umgesetzt werden.

Um noch mehr Menschen für die Krebsfrüherkennung zu sensibilisieren, plädieren Experten außerdem dafür, ein größeres Bewusstsein und Verantwortungsgefühl dem eigenen Körper gegenüber zu schaffen. Um auch bei weniger prominenten Krebsarten den Rückgang der Sterberate zu erreichen, müssten noch mehr Einladungsverfahren und damit einhergehende Kontrolluntersuchungen erfolgen.

Kritisch zu betrachten: Überdiagnose und Übertherapie

Von Seiten der Patienten, die sich trotz des Wissens um die Ansprüche gegen die Vorsorgeuntersuchung entscheiden, argumentieren häufig mit eingeschränkter Lebensqualität, wenn zunächst zwar ein Befund, aber noch kein Therapiebedarf besteht. Dieser Fall greift beispielsweise häufig beim Prostatakarzinom, wo man von der aktiven Überwachung spricht. Auf diese Weise können Therapien und die damit verbundenen Nebenwirkungen hinausgezögert werden, ohne dass es negative Folgen für den Krankheitsverlauf hat. Dennoch verändert sich die eigene Körperwahrnehmung.

Auch steht dem Nutzen laut dem aktuellen Cochrane Review neben all dem Nutzen ein gewisser Schaden gegenüber. Für jede Frau, die vor einem Brustkrebstod bewahrt wurde, wurden 10 überdiagnostiziert und übertherapiert. Überdiagnose ist dabei kein falsch-positiver Befund, sondern das Entdecken von Gewebeveränderungen, welche der pathologischen Definition eines Tumors entsprechen, sich jedoch nicht zu einem Tumor entwickeln, der Symptome oder gar den Tod verursacht. In diesem Fall hat die Diagnose keinerlei Überlebensnutzen. Im Zweifel sollte unbedingt eine zweite Expertise angefragt werden.

 

Werden die Leitlinienempfehlungen in der Früherkennungspraxis umgesetzt?

Ärzte im Gespräch
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Durch die S3-Leitlinien zur Früherkennung und Vorsorge von Krebs wird ein Standard definiert, an dem sich Ärzte bei der Diagnosestellung orientieren können. Inwieweit die Früherkennung in der Praxis anhand der Leitlinienempfehlungen umgesetzt wird, variiert stark. Eine 2013 durchgeführte Fragebogenstudie evaluierte, inwieweit Urologen sich an die S3-Leitlinie Früherkennung in urologischen Praxen beim Prostatakarzinom hielten. Im Schnitt befolgten die Urologen sechs der neun wichtigsten Empfehlungen. Abweichungen wurden allerdings stichhaltig begründet, beispielsweise in der bedingten Übertragbarkeit des PSA-Grenzwertes auf die klinische Praxis.

Welche Früherkennungsmethoden bestehen?

Welche Früherkennungsuntersuchungen sowohl Männern als auch Frauen zur Verfügung stehen, können Sie hier im Detail nachlesen:

 

Es empfiehlt sich daher für Patienten, im Voraus einer Früherkennungsuntersuchung zu überlegen, wie im Falle eines positiven Befundes reagiert werden könnte. Die Vor- und Nachteile der Untersuchungen sollten abgewogen werden und im Anschluss daran die Entscheidung getroffen werden, ob die Teilnahem sinnvoll ist oder nicht.

(jk)

 

Quellen:

[1] Wegwarth O et al: Brustkrebsfrüherkennung – Nutzen und Risiken richtig kommunizieren. Hrsg. in: Der Gynäkologe. Springer Medizin Verlag GmbH. Ausgabe 2/2018.

[2] Tiedje d et al: Anwendung der S3-Leitlinie zur Prostatafrüherkennung in urologischen Praxen. Hrsg. in: Der Urologe. Springer Medizin Verlag GmbH. Ausgabe 7/2017.

[3] Pox p et al: Darmkrebsfrüherklennung. Hrsg. in: Der Onkologe. Springer Medizin Verlag GmbH. Ausgabe 8/2016.

[4] Eissing L et al: Die Wahrnehmung des gesetzlichen Hautkrebsscreenings in der Allgemeinbevölkerung. Hrsg. in: Der Hautarzt. Springer Medizin Verlag GmbH. Ausgabe 5/2017.

[5] Bokhof B et al: Brustkrebsfrüherkennung durch Mammographiescreening. Hrsg. in: Der Onkologe. Springer Medizin Verlag GmbH. Ausgabe 9/2017.

[6] Herth F et al: Lungenkrebsfrüherkennung. Hrsg: Der Pneumologe. Springer Medizin Verlag GmbH. Ausgabe 3/2017.

Letzte inhaltliche Aktualisierung am: 16.04.2018

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Beratung durch die Landeskrebsgesellschaften:

Zuletzt aufgerufen am: 28.03.2024 15:56