Bitte beachten Sie, dass Texte, die älter als 2 Jahre sind, sich in der Überarbeitung befinden und gegebenenfalls nicht den aktuellen wissenschaftlichen Stand wiedergeben.

Angaben zum Autor, Fachberater und Erstelldatum finden Sie am Ende des Beitrages.

Methadon in der Krebstherapie: In erster Linie Schmerzmittel

Methadon in der Krebstherapie: In erster Linie SchmerzmittelDie DGHO unterscheidet in einer aktuellen Stellungnahme zum Einsatz von Methadon bei Krebspatienten klar zwischen Schmerztherapie und Krebstherapie. Die gute schmerzlindernde Wirkung des Mittels ist vielfach nachgewiesen. Für eine antitumorale Wirkung liegen dagegen bislang keine ausreichenden Beweise vor.

Seit im April 2017 die ARD über einen möglichen Einsatz von Methadon bei Krebspatienten berichtete, greifen zahlreiche Medien das Thema auf, was bei den Betroffenen und ihren Angehörigen offenbar zu hohen Erwartungen an eine antitumorale Wirkung des Mittels geführt hat. Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) veröffentlichte ein Informationsblatt für Patienten, in dem deutlich zwischen dem Einsatz von Methadon in der Schmerztherapie von Krebspatienten und dem Einsatz als antitumorales, also Krebsmedikament unterschieden wird.

Methadon ist ein starkes Schmerzmedikament aus der Gruppe der Opioide - natürliche, aus Opium gewonnene oder synthetisch hergestellte Arzneimittel mit schmerzlindernden, dämpfenden und beruhigenden Eigenschaften. Sie binden sich an körpereigene Opioid-Bindungsstellen, sogenannte Rezeptoren, auf Nerven- und anderen Körperzellen. In Deutschland ist Levomethadon zur Therapie bei starken Schmerzen zugelassen und wird in der S3-Leitlinie zur Palliativmedizin für Patienten mit nicht heilbarer Krebserkrankung empfohlen. Da Levomethadon zu den Betäubungsmitteln gehört, darf es laut Betäubungsmittelrecht nur auf einem speziellen Rezept verschrieben und von erfahrenen Medizinern verabreicht werden.

Medizinische Grundlagen

Weil auch Krebszellen Bindungsstellen für Opioide tragen, wird seit längerem über eine mögliche antitumorale Wirkung von Methadon spekuliert. Der Wirkstoff wurde in einer Studie mit 27 Patienten getestet, die an einem Gliom, einem bösartigen Hirntumor, erkrankt waren. Die meisten Patienten erhielten zusätzlich Chemotherapie. Nur neun der 27 Patienten hatten zum Zeitpunkt der Datenauswertung einen Rückfall erlebt. Nach Einschätzung der DGHO bleibe es aufgrund des Studiendesigns allerdings unklar, ob dies tatsächlich der Wirkung von Methadon zuzuschreiben ist oder auf die anderen Behandlungen bzw. günstige Begleitumstände zurückgeht. In einer rückblickenden Studie am MD Anderson Cancer Center in Houston, USA, wurden 76 Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung im Rahmen einer Umstellung der Schmerztherapie mit Methadon behandelt, 88 weitere Patienten erhielten andere Opioide. Am Ende konnte kein signifikanter Unterschied im Überleben zwischen den Behandlungsgruppen nachgewiesen werden. Gefragt sind nun randomisierte kontrollierte Studien, die eine Aussage zu einer möglichen antitumoralen Wirkung von Methadon erlauben.

Grund für die erhöhte Nachfrage nach Methadon waren die Arbeiten einer Forscherin aus Ulm. Sie stellte fest, dass bei Tierversuchen Tumorzellen effektiver absterben, wenn man zusätzlich zum Chemotherapeutikum noch Methadon verabreicht. Doch diese Datenlage ist unzureichend: Zellkulturen und auch Tierversuche sind nicht 1:1 auf den Menschen übertragbar. Kontrollierte Studien müssen durchgeführt werden, um Patienten zu vergleichen. Von überstürzter Methadon-Einnahme ist daher abzuraten, bis man eindeutig etwas über die Wirksamkeit sagen kann.

Methadon kann außerdem sehr starke Nebenwirkungen verursachen. Neben Magen-Darm-Symptomen zählen die Unterdrückung der Atmung und maligne Rhythmusstörungen zu den schwerwiegenden Risiken bei der Einnahme des Opioids. Außerdem ist die Halbwertszeit und die Wirkungsdauer individuell verschieden, was die Dosierung erschwert. Unter anderem ist das auch der Grund, warum Methadon kein Schmerzmittel erster Wahl ist.

Die Datengrundlage reicht nicht aus

Um die Wirksamkeit von Methadon in der Praxis zu beurteilen, führte die DGHO eine Online-Umfrage unter ihren Mitgliedern zu deren Erfahrungen mit dem Wirkstoff in der Krebstherapie durch. Von Ende Juli bis Anfang August beteiligten sich 473 in der Onkologie tätige Mediziner aus Praxen und Krankenhäusern. 83 Prozent gaben an, von ihren Patienten in letzter Zeit „oft“ oder „sehr oft“ auf die Möglichkeit einer Methadontherapie angesprochen worden zu sein. Gleichzeitig waren die Patienten in der Mehrheit enttäuscht über die mit den Ärzten geführten Gespräche zu diesem Thema. Zwei Prozent der Ärzte berichteten über Krankheitsverläufe, in denen es zu einer direkten oder indirekten Wirkung von Methadon auf den Tumor gekommen sein könnte. Jedoch berichtete jeder fünfte Mediziner auch von unerwarteten oder starken Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Einnahme von Methadon.

Wie der geschäftsführende Vorsitzende der DGHO und Direktor der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik für den Bereich Onkologie, Hämatologie und Knochenmarktransplantation mit Sektion Pneumologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Prof. Dr. Carsten Bokemeyer ausführte, zeige die Onlinebefragung, dass viele Patienten seit der verstärkten Berichterstattung in den Medien über Methadon große Erwartungen hinsichtlich einer antitumoralen Wirkung des Mittels hegen. Diese Erwartungen ließen sich jedoch angesichts der aktuellen Erkenntnislage und der praktischen Erfahrungen onkologisch tätiger Mediziner derzeit nicht rechtfertigen.

Zur aktuellen Pressemitteilung der DGHO zum Thema: Pro und Contra Methadon als Krebsmedikament:

Download Download Pressemitteilung (57,3 KB)

Quellen:

Pressemitteilung der DGHO vom 22. August 2017

Informationsblatt der DGHO zu „Methadon in der Krebstherapie“ vom 10. Juli 2017

Stellungnahme der DGHO zu „Methadon bei Krebspatienten: Zweifel an Wirksamkeit und Sicherheit“ (aktualisierte Version vom 15. Juli 2017)

 

(kvk)

Zur Nachrichtenübersichtsseite

 

Letzte inhaltliche Aktualisierung am: 12.02.2018

Weitere Nachrichten zum Thema Krebstherapie

Zuletzt aufgerufen am: 19.04.2024 16:46