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Gruppe oder Chat? Selbsthilfe für Patienten und Angehörige

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Die Diagnose Krebs trifft Betroffene und Angehörige wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Von heute auf morgen geraten sie in einen Strudel aus Klinik-Routinen und rechtlichen wie sozialen Notwendigkeiten. Plötzlich muss man sich mit medizinischen und sozialrechtlichen Dingen auseinandersetzen, die noch wenige Tage zuvor unwichtig erschienen – von denen man noch nicht einmal wusste, dass es sie gibt. In den ersten Wochen nach der Diagnose werden Patienten regelrecht überfahren von der nun einsetzenden schnellen Abfolge diverser Diagnoseverfahren und anschließender Therapien. Überschwemmt von einer wahren Flut an Informationen, haben die Patienten oft erst nach der Rückkehr nach Hause Zeit zum Atemholen und Nachdenken.

Allein mit der Angst und den Sorgen um sich selbst und um seine Angehörigen, muss nun jeder Patient selbst seinen Weg finden, mit der Situation umzugehen. Manche ziehen sich zurück, wollen niemanden sehen, mit niemandem sprechen. Die meisten aber würden sich gern aussprechen, suchen Rat und Unterstützung, Aufmunterung und Trost. Aber wer ist der richtige Gesprächspartner?

Austausch wirkt befreiend

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Gerade gegenüber Angehörigen, aber auch gegenüber engen Freunden haben Krebspatienten oft Mühe, ehrlich ihre Gedanken und Gefühle zu äußern, Verzweiflung und Schwäche einzugestehen. Manche Themen sind ihnen auch einfach peinlich. Beispielsweise wenn es um therapiebedingte Inkontinenz, Impotenz oder Ähnliches geht.

Hier kann der Austausch mit Menschen, die ebenfalls an Krebs erkrankt sind, befreiend wirken. Zu sehen, dass andere Patienten oft ähnliche Erfahrungen machen und die eigenen Ängste und Sorgen teilen, zeigt: Ich bin nicht allein, meine Gedanken und Gefühle sind ganz normal.

Eine klassische Möglichkeit zum Gespräch bieten Selbsthilfegruppen. Aber im Zeitalter von Internet und sozialen Netzwerken ist auch ein intensiver Austausch auf digitalem Weg möglich.

Selbsthilfegruppen

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In Deutschland existieren derzeit geschätzt 100.000 Selbsthilfegruppen, von denen sich zwei Drittel mit gesundheitlichen Themen beschäftigten, viele auch mit Krebs. Es gibt gemischte Gruppen oder solche, in denen sich Patienten mit einer bestimmten Krebsart zusammenfinden. Wieder andere sind nach Alter oder Geschlecht getrennt.

In einer Selbsthilfegruppe können Patienten detaillierte Tipps und Tricks zum Umgang beispielsweise mit Nebenwirkungen erhalten oder hilfreiche Hinweise in sozialrechtlichen Fragen bekommen. Aber auch die Möglichkeit, Sorgen und Ängste, die man im familiären Umfeld nicht äußern möchte, einfach einmal „abzuladen“, kann hilfreich sein. Darüber hinaus bietet eine Selbsthilfegruppe Raum für Aktivitäten, bei denen der Krebs nicht im Mittelpunkt steht, beispielsweise bei gemeinsamen Unternehmungen oder in speziellen Sportgruppen.

Die passende Gruppe findet man am besten über Selbsthilfekontaktstellen. Diese sammeln Informationen für die jeweilige Region, beraten und vermitteln den Kontakt zu einer passenden Selbsthilfegruppe. Mitunter ist es schwierig, eine geeignete Gruppe zu finden: Vielleicht sind die in der Region ansässigen Gruppen zu allgemein, zu weit entfernt, zu klein oder zu groß. Und selbst wenn man eine passende Gruppe gefunden hat, kann es Probleme geben – wie überall, wo Menschen zusammenkommen. Daher ist es ratsam, sich selbst ab und an mit etwas Abstand zu fragen, ob die Mitgliedschaft in der Gruppe noch sinnvoll ist und mehr Vor- als Nachteile hat.

Krebs 2.0: Virtuell netzwerken

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Nicht wenige Menschen können sich im Schutz der Anonymität besser öffnen als vor Angehörigen und Freunden. Hier trauen sie sich eher, unangenehme Fragen zu stellen oder über ihre Gefühle zu sprechen. Das Internet bietet eine unübersehbare Vielfalt an Möglichkeiten für den Erfahrungsaustausch mit anderen Krebspatienten: offene und geschlossene Foren, Chats, soziale Netzwerke wie Facebook, virtuelle Selbsthilfegruppen und vieles mehr. Das macht es insbesondere für Internet-unerfahrene Patienten schwierig, das passende Angebot zu finden und seriöse von fragwürdigen Betreibern zu unterscheiden.

So sind einige Forenbetreiber nicht neutral, sondern verfolgen wirtschaftliche Interessen, vertreiben Produkte, über die in ihren Foren diskutiert wird. Dann kann es vorkommen, dass unwillkommene Äußerungen gelöscht werden oder dass sich sogenannte Fake-User als Verbraucher ausgeben und das Produkt loben.

Vorsicht gilt auch bei medizinischen Aussagen: Sie können falsch, veraltet oder aus dem Zusammenhang gerissen sein. Die subjektive Erfahrung einzelner Patienten kann nicht auf andere Krebskranke übertragen werden, und die unkritische Anwendung von Mitteln, die anderen geholfen haben, kann schlimmstenfalls zur Verschlimmerung von Symptomen oder zum Versagen von Therapien führen.

Für Foren-unerfahrene Patienten ist es sinnvoll, erst eine Weile still mitzulesen, ehe man sich registriert und selbst aktiv wird. So lernt man, was man schreiben sollte und was nicht – und welche Reaktionen auf bestimmte Aussagen zu erwarten sind. Denn auch bei virtuellen Gesprächen kommt es mitunter zu Streit. Gestritten wird hier zwar „nur“ per Tastatur - auf die Beteiligten kann es aber ganz reale körperliche Folgen haben, wenn sie sich aufregen und ärgern.

Generell sollte man nicht zu viele private Details preisgeben. Möchte man den Kontakt intensivieren, steht jederzeit die Möglichkeit offen, sich bei Forentreffen oder auch im kleineren Kreis persönlich kennenzulernen. Die Erfahrung zeigt: Wer sich online über einen längeren Zeitraum sympathisch ist, versteht sich auch im „richtigen“ Leben.

Sich ohne Gruppe aussprechen

Für manche Menschen sind weder Verwandte noch Freunde, weder Selbsthilfegruppen noch Internet-Foren das Passende, um sich auszusprechen. Vielleicht möchten sie sich Fremden gegenüber nicht öffnen, vielleicht befürchten sie auch, dass die Schicksale anderer Patienten zu einer zusätzlichen Belastung werden könnten. Wer für sich entscheidet, dass Selbsthilfe nicht das Richtige ist, muss dennoch nicht mit seinen Problemen allein bleiben. Er findet Hilfe bei Menschen, die eine professionelle Ausbildung zur psychosozialen Unterstützung von Krebspatienten haben (Psychoonkologen, Psychotherapeuten, Seelsorger).

Die Landeskrebsgesellschaften der Deutschen Krebsgesellschaft haben ein Netz von psychosozialen Beratungsstellen in ganz Deutschland aufgebaut. Betroffene und ihre Angehörigen finden hier Informationen und praktische Hilfe - persönlich, telefonisch oder auch schriftlich.

Adressen von Selbsthilfekontaktstellen („Rote Adressen“):
http://www.nakos.de/site/datenbanken/rot

Ralf Rambach im Interview

Quelle: © dkg-web.gmbh

Wie Selbsthilfegruppen in Deutschland organisiert sind, wie man die richtige Gruppe findet und auf welche Qualitätsmerkmale man achten sollte erläutert Ralf Rambach, Vorsitzender der Deutschen Leukämie- & Lymphom-Hilfe (DLH).

 

(pp)


Quellen:
www.nakos.de
www.hksh-bonn.de

Letzte inhaltliche Aktualisierung am: 10.09.2014

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