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Retinoblastom - Therapie

OP, Quelle: © Yuri Arcurs - fotolia.com
Quelle: © Yuri Arcurs - fotolia.com

Behandlungsmethoden, die für die Therapie eines Retinoblastoms in Frage kommen, sind:

oder eine Kombination dieser Therapieformen.

Welche Therapie im Einzelfall durchgeführt wird, hängt insbesondere davon ab, ob ein oder beide Augen vom Tumor betroffen sind und wie weit die Erkrankung zum Zeitpunkt der Diagnose fortgeschritten ist. Aber auch das Alter des Kindes wird bei der Behandlungsplanung berücksichtigt. Ziel jeder Therapie ist die vollständige Zerstörung bzw. Entfernung des Tumors und damit die Heilung der Krebserkrankung. Der Erhalt des Lebens steht dabei im Vordergrund, auch wenn bei der Behandlung das Sehvermögen beeinträchtigt wird.

Prinzipiell sind zwei Behandlungsstrategien möglich: Die operative Entfernung des Tumors durch Entfernen des Auges (Enukleation) und eine Behandlung mittels Strahlen-, Laser-, Kyro- und/oder Chemotherapie, bei der das Auge erhalten werden kann. Eine solche den Augapfel erhaltende Therapie kommt in der Regel jedoch nur dann in Frage, wenn das Retinoblastom frühzeitig erkannt wird. Sie hat das Ziel, den Tumor zu inaktivieren und gleichzeitig das Sehvermögen zu erhalten, ohne dass dabei ein Lebensrisiko eingegangen wird. Ist die Krankheit bereits fortgeschritten, ist die Entfernung des Auges meist unumgänglich. Sind Tochtergeschwülste (Metastasen) vorhanden, wird eine kombinierte Strahlen- und Chemotherapie durchgeführt.

Behandlung des einseitigen Retinoblastoms

Bei einem einseitigen Retinoblastom ist die Entfernung des erkrankten Auges die sicherste Behandlungsmethode. Hierdurch kann eine Heilung erzielt werden. Ist der Tumor noch klein, ist in Einzelfällen auch eine den Augapfel erhaltende Therapie möglich. Diese Art der Behandlung ist jedoch nur vernünftig, wenn neben der Tumorkontrolle auch ein ausreichendes Sehvermögen erhalten bleibt. Oftmals werden einseitige Retinoblastome erst sehr spät erkannt, so dass das betroffene Auge bereits erblindet ist. Die Entfernung des Auges bedeutet dann für das Kind keine weitere Einschränkung des Sehvermögens und kann deshalb durchgeführt werden.

Behandlung des beidseitigen Retinoblastoms

Bei einem beidseitigen Retinoblastom versuchen die Ärzte, durch die Kombination verschiedener Therapieverfahren den Tumor vollständig unter Kontrolle zu bringen und dabei gleichzeitig die Sehfunktion zumindest eines Auges zu erhalten. Einzelne kleine Retinoblastome lassen sich mit lokalen Therapieformen (zum Beispiel Laser-, Kryo- oder Brachytherapie) sicher zerstören. Sind die Tumoren für eine solche Behandlung bereits zu groß oder liegt eine Glaskörperaussaat (Tumorzellen dringen in den Glaskörper ein), kann zuerst eine Chemotherapie mit dem Ziel der Tumorverkleinerung durchgeführt werden. Häufig ist in einem der beiden Augen die Erkrankung jedoch so weit fortgeschritten, dass eine Entfernung des Augapfels unumgänglich ist. Schreitet auch im zweiten, zunächst besseren Auge die Erkrankung fort (Tumorbefall des Sehnervs oder der Aderhaut, Glaskörperaussaat), so bleibt als einzige Augapfel erhaltende Therapie die Bestrahlung von außen. Diese erfolgt unter der Voraussetzung, dass ein ausreichendes Sehvermögen des Auges erhalten bleibt. Mitunter muss auch das zweite Auge entfernt werden, um das Leben des Kindes nicht zu gefährden.

Operation (Enukleation)

Die Operation (Enukleation) ist die am häufigsten eingesetzte Behandlungsform. Ihr Ziel ist es, das Tumorgewebe vollständig zu entfernen und damit die Krankheit zu heilen. Bei der Operation wird der Augapfel in Vollnarkose komplett und mit einem möglichst langen Teil des Sehnervs entfernt. Augenlider, Tränendrüse und Muskeln werden dabei nicht beeinträchtigt. Nach Entfernung des Augapfels wird in die Tiefe der Augenhöhle eine Silikonkugel (Implantat) als Platzhalter eingesetzt und die Muskeln sowie die Bindehaut darüber vernäht. Etwa zwei Wochen nach der Operation ist die Wundheilung bereits so weit vorangeschritten, dass eine erste Prothese - ein individuell an das Auge angepasstes Glasauge - in den Bindehautsack eingesetzt werden kann. Dieses künstliche Glasauge kann oft kaum von einem natürlichen Auge unterschieden werden. Da die Augenmuskeln erhalten bleiben, kann das künstliche Auge in begrenztem Umfang den Bewegungen des gesunden Auges folgen.

Das bei der Operation entnommene Auge wird feingeweblich (histologisch) untersucht, vor allem um festzustellen, ob der Tumor bereits den Sehnerv oder die Aderhaut infiltriert hat. Ist dies der Fall, besteht ein erhöhtes Risiko für eine Metastasierung des Tumors, so dass gegebenenfalls eine zusätzliche Chemotherapie durchgeführt werden muss. Darüber hinaus wird das entnommene Gewebe molekulargenetisch untersucht, um genauere Aussagen über das Vererbungsrisiko treffen zu können.

Behandlung nach der Operation
Kann der Tumor durch die Operation vollständig entfernt werden, ist die Therapie für dieses Auge in der Regel abgeschlossen. Zeigt die feingewebliche Untersuchung des entfernten Auges jedoch, dass der Tumor sehr ausgedehnt war oder die Organgrenze bereits überschritten hatte, erfolgt im Anschluss an die Operation eine Strahlentherapie oder eine Chemotherapie. Ziel ist, eventuell im Körper verbliebene Tumorzellen oder kleine Metastasen zu vernichten. Eine Chemotherapie ist immer dann notwendig, wenn infolge eines Einwachsens des Tumors in die Aderhaut oder in den Sehnerv ein erhöhtes Metastasierungsrisiko besteht.

Strahlentherapie

Die Wirkung der Strahlentherapie beruht darauf, dass sie Krebszellen vernichtet. Sie kommt vor allem bei kleinen bis mittelgroßen Tumoren in Frage, wenn die Rettung des Augenlichts möglich erscheint und das Leben des Patienten dadurch nicht gefährdet wird. Im Gegensatz zur Operation bleiben das Auge und, je nach Lage des Tumors, auch das Sehvermögen erhalten.

Eine Strahlenbehandlung kann auch als zusätzliche Maßnahme nach der Operation erfolgen (adjuvante Strahlentherapie), wenn der Tumor sehr groß war oder die Organgrenze bereits überschritten hatte. Sie hat dann das Ziel, eventuell in der Umgebung des Auges verbliebene Tumorzellen zu zerstören und damit das Risiko eines Krankheitsrückfalls zu senken.

Die Bestrahlung erfolgt mit energiereichen elektromagnetischen Strahlen, die entweder von außen durch die Haut (perkutane Strahlentherapie) oder tumornah (Brachytherapie) auf die Tumorregion eingestrahlt werden. Das strahlenempfindliche Retinoblastom wird durch die Behandlung allmählich in inaktives Narbengewebe umgewandelt.


Brachytherapie
Bei der so genannten Brachytherapie (Kurzdistanzbestrahlung) wird ein Strahlenträger (Applikator) durch einen operativen Eingriff in den Bereich des Tumors eingebracht und dort so lange belassen, bis die gewünschte Strahlendosis verabreicht wurde. Die Strahlung wird dabei nur in Richtung des Tumors abgegeben. Dadurch kann eine hohe Strahlendosis direkt am Tumor erzielt werden, während das benachbarte Gewebe weitgehend geschont wird. Nach Abschluss der Behandlung wird der Strahlenträger in einer zweiten Operation wieder entfernt. Es sind somit zwei Operationen in Vollnarkose notwendig. Die Brachytherapie kann allein oder in Kombination mit anderen Therapieverfahren eingesetzt werden. Sie eignet sich besonders für einzelne mittelgroße Tumoren und bei Vorliegen einer örtlich begrenzten Glaskörperaussaat.

Perkutane Strahlentherapie
Bei dieser Behandlungsmethode erfolgt die Bestrahlung von außen durch die Haut auf die zu bestrahlende Region. Das Auge wird während der Behandlung durch eine Vakuumkontaktlinse in der erwünschten Position gehalten. Um strahlenbedingte Nebenwirkungen so gut wie möglich zu verhindern, wird die benötigte Gesamtstrahlendosis nicht auf einmal verabreicht, sondern verteilt. Für die Behandlung eines Retinoblastoms sind viele Sitzungen notwendig, die Kinder werden zum Beispiel über einen Zeitraum von etwa fünf Wochen an fünf Tagen in der Woche bestrahlt. Um sicherzustellen, dass der Tumor nicht durch unkontrollierte Bewegungen außerhalb des vorgesehenen Bestrahlungsfeldes liegt, muss die Bestrahlung kleiner Kinder (bis zum vierten oder fünften Lebensjahr) in Narkose durchgeführt werden.

Die perkutane Strahlentherapie spielte bislang vor allem bei der Behandlung fortgeschrittener beidseitiger Retinoblastome eine wichtige Rolle. Aufgrund des strahlenbedingt erhöhten Risikos für die Entwicklung eines Zweittumors im Erwachsenenalter wird diese Behandlungsform heute jedoch nur noch eingesetzt, wenn andere Therapieverfahren nicht mehr möglich sind.

Nebenwirkungen der Strahlentherapie
Trotz sorgfältiger Therapieplanung können während oder nach der Strahlenbehandlung unerwünschte Begleiterscheinungen auftreten. Die Art der Nebenwirkungen richtet sich nach der Art der Bestrahlungsbehandlung und nach Größe und Lage des Tumors.

Die Brachytherapie kann, trotz der geringen Reichweite der Strahlung, zu Strahlenreaktionen im umliegenden gesunden Gewebe führen, zum Beispiel zu einer Linsentrübung, einer Schädigung der Netzhaut oder des Sehnervs oder zu Blutungen bzw. Durchblutungsstörungen im Auge.

Auch die perkutane Strahlentherapie kann mit Schäden der Netzhaut oder des Sehnervs einhergehen. Des Weiteren kann ein vermindertes Knochenwachstum im Bestrahlungsfeld, eine Verschlechterung des Sehvermögens durch Linsentrübung oder eine Beeinträchtigung der Tränendrüse mit nachfolgender Trockenheit des Auges auftreten. Als Spätkomplikation kann nach etwa 25 bis 30 Jahren ein Zweittumor im Bestrahlungsgebiet entstehen.

Lasertherapie

Eine Lasertherapie kommt nur bei sehr kleinen Tumoren in Frage. Bei dieser Therapieform wird in Vollnarkose ein Laserstrahl durch die Pupille auf den Tumor gelenkt und dieser durch die Hitze des Laserstrahls zerstört. Die Behandlung muss meist mehrmals wiederholt werden.

Kryotherapie (Kältetherapie)

Bei der Kryotherapie werden niedrige Temperaturen eingesetzt. Der Tumor wird dabei von außen mit Hilfe einer Metallsonde mehrfach durchgefroren. Die kälteempfindlichen Tumorzellen werden dadurch zerstört. Wie die Lasertherapie ist auch diese Therapieform nur für kleine Tumoren geeignet. Der Nachteil der Behandlungsform besteht darin, dass auch die an den Tumor angrenzenden gesunden Netzhautbereiche geschädigt werden.

Chemotherapie

Infusion, Quelle: © ineula - fotolia.com
Quelle: © ineula - fotolia.com

Die Chemotherapie zielt darauf ab, Krebszellen im ganzen Körper durch zellwachstumshemmende Medikamente (Zytostatika) abzutöten. Zytostatika wirken gut gegen rasch wachsende Zellen, eine Eigenschaft, die in besonderem Maße auf Krebszellen zutrifft.

Eine Chemotherapie wird beim Retinoblastom grundsätzlich in Ergänzung zu anderen Therapieverfahren eingesetzt, um deren Wirkung zu steigern oder um den Behandlungserfolg zu festigen. Eine Heilung der Krebserkrankung allein durch die Gabe von Zytostatika ist nicht möglich.

Eine ergänzende (adjuvante) Behandlung mit Zytostatika ist immer dann angezeigt, wenn sich nach einer Operation ein Tumorbefall der Aderhaut oder des Sehnervs nachweisen lässt und somit die Gefahr besteht, dass der Tumor bereits außerhalb des Auges gestreut hat. Die Chemotherapie hat dann das Ziel, eventuell im Körper verbliebene Tumorzellen zu vernichten und damit die Heilungschancen zu verbessern. Liegen bereits Fernmetastasen vor, kann durch eine Chemotherapie, eventuell in Kombination mit einer Strahlentherapie, die Überlebensrate der Kinder verbessert werden.

Die Chemotherapie kann bei größeren Tumoren auch als Ersttherapie mit dem Ziel der Tumorverkleinerung eingesetzt werden, um anschließend eine lokale Behandlung (Kryo- oder Laserbehandlung, Brachytherapie) durchzuführen.

Des Weiteren kann die Chemotherapie mit anderen Therapieformen kombiniert werden, um die Wirkung der Behandlung zu steigern. Bei der so genannten Thermo-chemotherapie wird nach Gabe eines Zytostatikums das Tumorgewebe durch Laserbestrahlung etwa 10 bis 20 Minuten lang erwärmt (Hyperthermie). Die Wirksamkeit der Chemotherapie kann dadurch so weit verbessert werden, dass eine vollständige Zerstörung des Tumors möglich wird.

Die Zytostatika werden als Infusion in eine Vene verabreicht. Je nach Ziel der Behandlung kommen ein bzw. mehrere Medikamente (Polychemotherapie) zur Anwendung.

Lokale Chemotherapie

Superselektive intraarterielle Chemotherapie
Das Ziel der intraarteriellen Chemotherapie ist es, ein chemotherapeutisches Medikament (in der Regel Melphalan) über einen über die Arterie eines Beines bis nahe an die Augenhöhle vorgeschobenen Katheter direkt in das Blutgefäßsystem des Auges zu applizieren. Dies hat den entscheidenden Vorteil, dass Chemotherapeutika nicht im ganzen Körper wirken und lokal eine hohe Konzentration erreicht wird, damit eine alleinige Behandlung des betroffenen Organs möglich ist.
Die intraarterielle superselektive Chemotherapie scheint ein mögliches Konzept bei weit fortgeschrittenen Augen ohne Glaskörperaussaat zu sein, wenn der Erhalt des Augapfels (Bulbus) angestrebt wird.

Intravitreale Chemotherapie
Bei der intravitrealen Chemotherapie werden chemotherapeutische Medikamente direkt in den Glaskörper eingegeben.   Das verwendete Chemotherapeutikum ist in der Regel Melphalan. Auch mit dieser Methode können Augen behandelt werden, die mit anderen Methoden wie oben beschrieben nicht oder nicht mehr behandelt werden können.
Die intravitreale Chemotherapie scheint ein vielversprechendes Verfahren bei Therapieversagern und Glaskörperaussaat darzustellen mit der Möglichkeit, eine perkutane Radiatio (Bestrahlung von außen) zu verzögern oder sogar zu vermeiden.

Wie wird ein Rückfall behandelt?

Die Behandlung im Falle eines Krankheitsrückfalls (Rezidiv) richtet sich nach Ort und Ausmaß der erneuten Tumorerkrankung. Bricht der Krebs nur in einem Auge wieder aus und ist er noch sehr klein, so wird das Kind nochmals mit lokalen Therapiemaßnahmen behandelt oder es wird eine Strahlentherapie durchgeführt. Tritt der Krebs außerhalb des Auges wieder auf, muss die Behandlung sorgfältig abgewogen und auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt werden. Der Arzt informiert die Eltern ausführlich über die bestehenden Möglichkeiten.


(Dipl.-Biol. Maria Yiallouros, Medizinjournalistin)

 

Quellen:
[1] Leitlinien für die Diagnostik und Therapie in der Pädiatrischen Onkologie und Hämatologie: Prinzipien der Pädiatrischen Onkologie. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 025/001 (Stand: Juni 2005)
[2] H.-J. Schmoll. K. Höffken, K. Possinger (Hrsg.): Kompendium Internistische Onkologie, Springer Verlag 2006
[3] C. Jurklies: Das Retinoblastom - Diagnose und Therapie, in: Deutsche Kinderkrebsstiftung (Hrsg.): WIR, Bd. 1.2007, S 25-31

Fachberaterin:
PD Dr. Petra Temming
Universitätsklinikum Essen

Letzte inhaltliche Aktualisierung am: 20.08.2015

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