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Rachenkrebs und HPV-Infektionen

In den vergangen Jahren wurde dem Thema HPV16-assoziierte Karzinome des Kopf-Hals-Bereichs in der Forschung ein großer Stellenwert eingeräumt. Die von Kien Ang vorgelegte Risikobewertung von HPV16 und Tabakkonsum führte weltweit zu einer intensiven Prüfung der Therapieverfahren und Risikobewertung des Rachenkrebses. Eine aktuelle Metaanalyse aller relevanten bisherigen Studien zeigt einen klaren Effekt von HPV16 auf das Überleben (Gesamtüberleben und krankheitsspezifisches Überleben)[4]. HPV-positive Patienten mit Oropharynxkarzinomen haben eine 54% bessere Überlebenschance als HPV-negative.

Auch genetisch scheint man es mit einer eigenen Erkrankungsart zu tun zu haben, berücksichtigt man die HPV-assoziierten Unterschiede in der wildtype-p53-Aktivität, einem zentralen Regulator der Zellteilung und wichtigstem Wächter der Zelle gegen Krebs. Grob formuliert, scheinen die HPV-positiven Tumore lediglich in verschiedenen Bereichen der Zellzyklusregulation abgeschaltet worden zu sein, ohne dass diese Komponenten zerstört wurden. Eine Reaktivierung dieser Komponenten ist also möglich und wird beispielsweise durch das Anschalten von Operationen oder Bestrahlung erreicht. Die dahinter stehende Biologie (Epigenetik, Zellzyklusregulation durch die HPV-eigenen Regulatoren E5, E6 und E7 und die Wechselwirkung mit weiteren bislang unbekannten Regulationsmechanismen, z. B. mikroRNAs) ist hoch komplex.

Schlussfolgerungen für Behandlungsempfehlungen sind derzeit schwer in allgemeingültiger Form zu ziehen. Teilweise widersprechen sich die Studienergebnisse sogar. Ungeachtet dessen kann festgestellt werden, dass nach der aktuellen Datenlage Rachenkrebs, der mit einer Infektion mit HPV16 in Verbindung steht, eine bessere Prognose hat.

Ende 2011 berichteten Anil Chaturvedi et al. [5] über eine aktuelle epidemiologische Auswertung aus sehr aufwändigen Tumormaterialanalysen („polymerase chain reaction“und „genotyping“ [Inno-LiPA], HPV16 viral load, und HPV16 mRNA expression) von US-amerikanischen Krebsreistern (SEER). Die Autoren konnten einen klaren Trend in der Zunahme der HPV-assoziierten Oropharynxkarzinome in allen zugrunde gelegten Analyseparametern über die letzten 30 Jahre nachweisen.

Welche Therapie die beste für HPV16 assoziierte Oropharynxkarzinome ist, kann derzeit nicht festgelegt werden, insbesondere nicht unter Verweis auf die p16-abhängigen besseren Überlebensdaten nach Radiochemotherapie in der RTOG 0129-Studie. Bruce Haughey und Kollegen [6] publizierten eine retrospektive Analyse an 204 Patienten, die an fortgeschrittenem Rachenkrebs erkrankt waren, die konsequent operiert wurden. In dieser Betrachtung, die im Übrigen die einzige weltweit multizentrische Analyse von Operations-Daten an Rachenkrebs ist, konnte vergleichbar der RTOG 0129-Studie auch für ein primär chirurgisches Vorgehen ein hoch signifikanter Überlebensvorteil der p16positiven Patienten gesehen werden.

David Brizel (renommierter Strahlentherapeut, Duke Cancer Institute, Durham USA) betonte 2012 auf verschiedenen internationalen Krebskongressen, dass er sich gut vorstellen könnte, bei HPV-positiven Oropharynxkarzinomen aufgrund der guten Prognose monomodale, primär chirurgische Verfahren in den Vordergrund zu rücken.

 

(red)

Quellen:

[1] N. Stasche, A. Schmieder: Kopf-Hals-Karzinome, in: W. Dornoff, F.-G. Hagemann, J. Preiß, A. Schmieder (Hrsg.): Taschenbuch Onkologie 2010: Interdisziplinäre Empfehlungen zur Therapie 2010/2011, Zuckschwerdt Verlag 2010, S. 137-144
[2] H.-J. Schmoll. K. Höffken, K. Possinger (Hrsg.): Kompendium Internistische Onkologie, Springer Verlag 2006
[3] Robert Koch-Institut (Hrsg.): Krebs in Deutschland 2007/2008. Häufigkeiten und Trends, Berlin 2012
[4] O'Rorke MA, Ellison MV, Murray LJ, Moran M, James J, Anderson LA. Human papillomavirus related head and neck cancer survival: A systematic review and meta-analysis. Oral Oncol. 2012 Jul 27.
[5] Chaturvedi AK, Engels EA, Pfeiffer RM, Hernandez BY, Xiao W, Kim E, Jiang B, Goodman MT, Sibug-Saber M, Cozen W, Liu L, Lynch CF, Wentzensen N, Jordan RC, Altekruse S, Anderson WF, Rosenberg PS, Gillison ML. Human papillomavirus and rising oropharyngeal cancer incidence in the United States. J Clin Oncol. 2011 Nov 10;29(32):4294-301.
[6] Haughey BH, Hinni ML, Salassa JR, Hayden RE, Grant DG, Rich JT, Milov S, Lewis JS Jr, Krishna M. Transoral laser microsurgery as primary treatment for advanced-stage oropharyngeal cancer: a United States multicenter study. Head Neck. 2011 Dec;33(12):1683-94.
[7] Hellner K, Münger K. Human papillomaviruses as therapeutic targets in human cancer.J Clin Oncol. 2011 May 1;29(13):1785-94.

 

Fachliche Beratung: 
Prof. Dr. Andreas Dietz
Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Universität Leipzig

Letzte inhaltliche Aktualisierung am: 16.10.2013

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