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Therapie

Welche Therapie einen Patienten mit der Diagnose Rektumkarzinom erwartet, hängt ganz wesentlich vom Tumorstadium und dem damit verbundenen Risiko für eine Ausbreitung der Krankheit ab. Früher gingen Mediziner davon aus, dass nur Tumoren in den Stadien I-III heilbar seien. Inzwischen kann selbst noch im Stadium IV, wenn bereits Tochtergeschwülste (Metastasen) in anderen Organen vorliegen, in manchen Fällen eine Heilung erzielt werden.

Therapie im Stadium I

Rektumkarzinome im Stadium I umfassen die T-Stadien T1 und T2, d.h. Tumoren, die sich maximal bis in die Muskelschicht unterhalb der Schleimhaut des Enddarms ausgebreitet haben. Die einzig wirksame Therapiemaßnahme im Stadium I ist die Operation. Hierbei soll das Krebsgewebe möglichst vollständig entfernt werden. Da jedoch bei größerer Ausdehnung des Tumors ein höheres Rückfallrisiko vorliegt, ist in bestimmten Fällen eine umfangreichere Operation notwendig. Weitere Therapien sind im Stadium I nicht erforderlich, da sie, wie Studien zeigten, keine zusätzlichen Vorteile mit sich bringen.

• T1 mit niedrigem Rückfallrisiko
Handelt es sich um einen Tumor, der kleiner als 3 cm ist, dessen Zellen denen des normalen Darmgewebes noch weitgehend gleichen (gute bis mäßige Gewebedifferenzierung) und der keine Lymph- oder Blutgefäße befallen hat, kann er in der Regel vollständig, mit einem gewissen Abstand im gesunden Gewebe herausgeschnitten werden, ohne dass weitergehende Eingriffe notwendig sind.

• T1 mit höherem Rückfallrisiko und T2
Bei größeren Tumoren und Tumoren, deren Zellen sich gegenüber den normalen Zellen des Darmgewebes bereits stärker verändert haben (schlechte Gewebedifferenzierung), besteht nach der Operation ein höheres Rückfallrisiko. Der chirurgische Eingriff muss deshalb in diesen Fällen umfangreicher sein und besteht in der sogenannten mesorektalen Exzision. Hierbei wird außer dem Tumor auch das umliegende Fett- und Bindegewebe, das sogenannte Mesorektum, entfernt. Es bettet den Mastdarm im Becken ein und enthält Blut- und Lymphgefäße. Bei Tumoren, die sich im oberen Drittel des Rektums befinden, genügt eine teilweise (partielle) Mesorektumexzision, bei Tumoren im mittleren und unteren Rektumdrittel ist die totale Mesorektumexzision nötig. Dann wird meist auch ein künstlicher Darmausgang (Stoma, Anus praeter) für eine gewisse Zeit angelegt, um das Operationsgebiet vorübergehend zu entlasten.

Therapie im Stadium II und III

Im Stadium II handelt es sich um größere, ausgedehntere Tumoren, die bereits die Lymphknoten befallen haben können. Dennoch ist hier eine Heilung möglich, auch wenn ein erhöhtes Rückfallrisiko besteht. Solche Rückfälle treten in der Regel entweder unmittelbar lokal, an der Stelle des Ausgangstumors, auf, oder betreffen die Leber oder Lunge. Deshalb müssen neben der Operation zusätzliche Therapien durchgeführt werden. Insbesondere bei Tumoren im unteren und mittleren Rektumdrittel sind das eine der Operation vorausgehende Strahlen- oder Strahlenchemotherapie. Bei Rektumkarzinomen im oberen Rektumdrittel ist der Nutzen einer Strahlentherapie derzeit noch umstritten. Hier wird vor allem eine Chemotherapie nach der Operation, wie sie beim Kolonkarzinom stattfindet, empfohlen.

• Operation
Auch in den Stadien II und III besteht das Ziel der Operation darin, möglichst das gesamte Krebsgewebe aus dem Körper zu entfernen. Hierfür wird die partielle (oberes Rektumdrittel) oder totale (mittleres und unteres Rektumdrittel) Mesorektumexzision eingesetzt, mit der nicht nur der Tumor selbst, sondern auch die umgebenden Lymphgefäße entfernt werden.

• Strahlentherapie vor der Operation (neoadjuvant)
Bestrahlt werden Tumor selbst und die ihn umgebenden Lymphabflusswege. Dies schafft eine gute Ausgangsposition für die Operation und kann das Risiko für einen Rückfall nach dem Eingriff erheblich senken. Die Strahlentherapie erfolgt entweder kurzzeitig mit hohen Einzeldosen oder häufiger mit niedrigeren Einzeldosen.

• Strahlenchemotherapie vor der Operation (neoadjuvant)
Eine kombinierte Strahlenchemotherapie vor der Operation stellt für den Patienten zwar eine größere Belastung dar, ist aber verglichen mit der alleinigen Strahlentherapie mit Überlebensvorteilen verbunden. Sie wird deshalb vor allem bei größeren, lokal fortgeschritteneren Tumoren empfohlen, auch, weil dadurch der Tumor bereits vor der Operation merklich verkleinert werden kann. Als wirksamstes und gleichzeitig gut verträgliches Chemotherapeutikum wird in den aktuellen Leitlinien derzeit 5-Fluorouracil (5-FU) empfohlen.

• Chemotherapie nach der Operation (adjuvant)
Nach einer Radiochemotherapie gefolgt von der Operation wird unter Umständen eine weitere unterstützende (adjuvante) Chemotherapie mit 5-FU empfohlen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn sich die behandelnden Ärzte weitere Vorteile davon versprechen und es der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten zulässt. Die Chemotherapie wirkt systemisch im gesamten Körper und kann auch Krebszellen, die bereits gestreut haben, schädigen.

Therapie im Stadium IV

Galt die Therapie bei Enddarmkrebs im Stadium IV früher ausschließlich dem Zweck, Beschwerden zu lindern, das Fortschreiten des Tumors so lange wie möglich aufzuhalten und damit das Überleben der Patienten zu verlängern (palliative Therapie), ist heute sogar in diesem fortgeschrittenen Stadium unter Umständen noch Heilung möglich. Dies gilt für Tumoren, die so in die Leber oder Lunge gestreut haben, dass sich die Metastasen operativ entfernen lassen: Bis zu einem Viertel der betroffenen Patienten werden Studien zufolge dann noch geheilt. Die Patienten mit Rektumkarzinom im Stadium IV werden deshalb noch einmal in drei Gruppen unterteilt, bei denen unterschiedliche Therapien zum Einsatz kommen:

• Gruppe 1: Operable Leber- und/oder Lungenmetastasen
Können einzelne Leber- oder Lungenmetastasen bei einer Operation vollständig entfernt werden, hat der Patient gute Überlebensaussichten: Etwa die Hälfte der Patienten ist fünf Jahre nach Diagnosestellung noch am Leben. Der chirurgische Eingriff wird meist mit einer Chemotherapie jeweils drei Monate vor und nach der Operation (Therapieregime FOLFOX: Folinsäure, 5-Fluorouracil, Oxaliplatin) kombiniert, auch eine Chemotherapie (Therapieregime FOLFOX) ausschließlich nach der Operation ist möglich.

• Gruppe 2: Potenziell operable Leber- und/oder Lungenmetastasen, tumorbedingte Symptome oder rasches Voranschreiten der Krankheit
In manchen Fällen verkleinern sich große Metastasen infolge einer medikamentösen Therapie so stark, dass sie anschließend doch noch operiert werden können. Empfehlungen dazu, welche Medikamente für diesen Zweck am besten wirken, gibt es derzeit noch nicht. Eingesetzt werden meist Kombinationen verschiedener Chemotherapeutika im Zusammenspiel mit Antikörpern aus der Gruppe der zielgerichteten Therapien, wobei mit vier bis zwölf Zyklen gerechnet werden muss. Werden Metastasen dadurch operabel, sollte der Eingriff zügig erfolgen.

• Gruppe 3: Viele Metastasen ohne Aussicht auf Operabilität
Bei den meisten Patienten mit einem Rektumkarzinom im Stadium IV ist eine heilende Operation von Metastasen in der Leber oder Lunge nicht mehr möglich. Die Therapie ist deshalb palliativ, zielt also auf die Linderung körperlicher und seelischer Beschwerden, die mit dem Tumorleiden verbunden sind. Sie dient außerdem dazu, das Voranschreiten der Krankheit hinauszuzögern, um die verbleibende Lebenszeit zu verlängern. Der Erhalt von Lebensqualität steht hierbei jedoch immer an erster Stelle.

Um das Voranschreiten der Krankheit aufzuhalten, können medikamentöse Behandlungen mit Chemotherapie und zielgerichteter Antikörpertherapie erfolgen.

 

Zielgerichtete Therapien: Das Tumorwachstum bremsen

Zielgerichtete Therapien, sogenannte „targeted therapies“, richten sich spezifisch gegen bestimmte Eigenschaften und Merkmale der Krebszellen und unterbrechen dadurch deren Wachstums- und Vermehrungsprozesse. Beim metastasierten Rektumkarzinom werden sie in der Regel in Kombination mit Chemotherapie eingesetzt. Zugelassen sind Bevacizumab, Cetuximab und Panitumumab.

• VEGF-Antikörper Bevacizumab (Angiogenesehemmer)
Bevacizumab unterbindet die Wirkung des Blutgefäßwachstumsfaktors Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF). Dadurch wird verhindert, dass der Tumor ausreichend mit Blut und entsprechend Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird. Er stellt sein Wachstum vorübergehend ein.

• EGFR-Antikörper Cetuximab und Panitumumab
Auf der Oberfläche von Darmkrebszellen werden verstärkt Bindungsstellen (Rezeptoren) für den epidermalen Wachstumsfaktor EGF (epidermal growth factor) gebildet. EGF bindet sich an seinen Rezeptor und löst Signale aus, die das Wachstum, die Teilung und die Ausbreitung der Krebszellen steuern. Diese Bindung von EGF an den Rezeptor kann durch die Antikörper Cetuximab und Panitumumab verhindert werden. In der Folge sind die Signalwege für das Zellwachstum unterbrochen, die Krebszellen können sich nicht mehr teilen und ausbreiten. Wirksam sind Cetuximab und Panitumumab allerdings nur, wenn eine bestimmte genetische Veränderung, die sogenannte KRAS-Mutation, in den Krebszellen nicht vorliegt, es sich also um einen sogenannten „KRAS-Wildtyp-Tumor“ handelt.

 

Anlage eines künstlichen Darmausgangs (Anus praeter, Stoma)

Nicht immer ist es möglich, bei der Operation von Enddarmkrebs den natürlichen Darmausgang zu erhalten. Dann muss ein künstlicher Darmausgang (Stoma, Anus praeter) angelegt werden. Dieser wird notwendig, wenn der Tumor sehr nahe am Schließmuskel (Anus) liegt oder bereits weit fortgeschritten ist.

Dabei wird nach kompletter Entfernung des Mastdarms das untere Ende des Dickdarmes im linken Unterbauch aus der Bauchwand ausgeleitet. Nach der Operation befindet sich an dieser Stelle eine 2-3 cm große Öffnung, aus der sich kontinuierlich Stuhl entleeren kann. Er wird in einem auf der Haut befestigten luftdichten Beutel geruchlos aufgefangen. Es ist aber auch möglich, die Bauchdeckenöffnung mit einer Klappe abzudecken und einmal am Tag den Darm mit einer Spülflüssigkeit zu leeren. Wie man die Beutel wechselt oder die Darmentleerung mit einer Spülung durchführt und die Haut um den künstlichen Ausgang herum pflegt, erfahren die Betroffenen bereits im Krankenhaus. Spezialisierte Pflegekräfte schulen in der Regel die Betroffen gründlich und stehen für Fragen auch nach der Entlassung aus der Klinik zur Verfügung.

In etwa 15 % aller Operationen bei Rektumkarzinom ist das Anlegen eines künstlichen Darmausgangs erforderlich. Durch die Anwendung spezieller Techniken sind heute auch Darmverbindungen noch in Höhe des Schließmuskels möglich, so dass in vielen Fällen die Anlage eines künstlichen Darmausgangs verhindert werden kann. Liegt ein Tumor sehr nahe am Schließmuskel, kann versucht werden, ihn durch eine Radio-Chemotherapie soweit zu verkleinern, dass anschließend die Erhaltung des normalen Darmausgangs angestrebt werden kann. Lage, Größe und Ausdehnung des Tumors müssen also im Vorfeld der Operation exakt geklärt werden, um alle Therapiemöglichkeiten auszuschöpfen.

Die Anlage eines künstlichen Darmausganges muss jedoch nicht in jedem Fall endgültig sein. So ist es beispielsweise heute üblich, bei sehr tiefen Darmentfernungen, bei denen die neue Nahtverbindung direkt an den Schließmuskel gelegt wird, diese Naht durch die Anlage eines Anus praeter zu schützen. In solchen Fällen kommt ein vorübergehender (passagerer oder temporärer) Anus praeter zum Einsatz. Ist die Heilung der Darmnaht abgeschlossen (ca. 6 Wochen), so kann dieser Anus praeter in einer kleinen Operation wieder verschlossen werden. Die Darmentleerung funktioniert danach wieder auf natürlichem Wege. Eine weitere Möglichkeit eines nur vorübergehenden künstlichen Darmausganges besteht bei Notfalloperationen, wegen Darmdurchbruch oder entzündlicher Darmerkrankungen. Hier kommt es zu Bauchfellentzündung, so dass eine direkte Wiedervereinigung der Darmenden mit dem Risiko des Nahtbruchs behaftet ist. Auch hier kann unter dem Schutz eines künstlichen Darmausganges die Naht erfolgen bzw. die Anschlussoperation nach Abheilung der Bauchfellentzündung durchgeführt werden.

Mitunter wird der künstliche Darmausgang auch nur geschaffen, um das Operationsgebiet vorübergehend zu entlasten. In diesen Fällen kann er nach einer gewissen Zeit wieder zurückverlegt werden.

 

 

(kvk)

 

Quellen
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Lippert, H.: Lehrbuch Anatomie. 6 überarb. Auflage 2003, München: Urban & Fischer

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Robert Koch-Institut und Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e. V. (Hrsg.): Krebs in Deutschland 2005/2006. Häufigkeiten und Trends. 7. Ausgabe 2010, Berlin

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Letzte inhaltliche Aktualisierung am: 05.12.2013

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