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Krebs - bald eine chronische Erkrankung?

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„Der Krebs und ich, wir haben uns arrangiert“, sagt eine Brustkrebspatientin, die sich in einer anhaltenden Remission befindet. Das heißt, das Tumorwachstum konnte gestoppt werden, geheilt ist die 47-Jährige aber nicht. Aktuell wird sie mit einem Medikament behandelt, das gezielt wachstumsfördernde Signale blockt, die bei ihrem Brustkrebstyp eine wichtige Rolle spielen.

So wie dieser Patientin geht es vielen Menschen, die Krebs haben. Denn immer mehr Krebskranke leben immer länger. Einige Krebsarten sind inzwischen heilbar, vor allem aber haben die therapeutischen Fortschritte dazu geführt, dass Patient*innen trotz bzw. mit ihrer Tumorerkrankung heute deutlich länger leben als vor zehn, zwanzig Jahren. Bei Brust-, Prostata-, Lungen-, Magen - und Darmkrebs sowie bei chronisch lymphatischer Leukämie sind in dieser Hinsicht Fortschritte zu vermelden, wobei das zum Teil sogar für fortgeschrittene Stadien gilt. So ist die Lebenserwartung bei Darmkrebs, der bereits Metastasen gestreut hat, heute im Schnitt drei- bis viermal höher als früher. Es gibt Patient*innen, die viele Jahre mit metastasiertem Darmkrebs leben.

Lebensqualität rückt in den Fokus

Generell wird versucht, die Behandlung individuell maßzuschneidern. Bei einigen Krebsarten gelingt das schon recht gut, bei anderen wird intensiv daran gearbeitet. Es stehen heute zahlreiche unterschiedliche Krebsmedikamente zur Verfügung, und es kommen immer neue Wirkstoffe dazu. Personalisiertes Vorgehen und pharmazeutische Fortschritte werden in Zukunft die Chancen auf ein Langzeitüberlebens noch weiter steigern. Und damit rückt - neben dem Überleben - ein anderer Aspekt immer mehr in den Blickwinkel: die Lebensqualität.

Dabei ist die Verträglichkeit der angewendeten Therapie(n) von entscheidender Bedeutung. Chronisch Krebskranke brauchen Medikamente, die ihren Zustand stabilisieren und ein Fortschreiten der Erkrankung möglichst unterbinden. Aber auch die langfristig angewendeten Medikamente haben Nebenwirkungen. Diese gilt es zu minimieren, was zum Teil mit Hilfe weiterer Medikamente oder auch mit nicht-medikamentösen Begleitmaßnahmen gelingt. Dabei müssen die Therapiestrategien aber praktikabel bleiben und sollten den persönlichen Alltag so wenig wie möglich beeinträchtigen.

Hinzu kommt, dass viele Krebskranke unter den Nachwirkungen von chirurgischen Eingriffen und Chemo- bzw. Strahlentherapien leiden und deshalb behandelt werden müssen. Das betrifft nicht nur chronisch Krebskranke, sondern auch Patient*innen, die als geheilt gelten. Ein Beispiel ist die Polyneuropathie infolge einer Chemotherapie. Manche Zytostatika können Nervenschäden verursachen, die bei den betroffenen Patient*innen dauerhaft zu quälenden Empfindungsstörungen wie Ameisenkribbeln und Taubheitsgefühl führen. Auch chronische Schmerzen können die Folge solcher Nervenschäden sein.

Tumorschmerzen sind behandelbar

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Es gibt heute exzellente Möglichkeiten der Schmerztherapie, wobei verschiedene Schmerzen unterschiedlich behandelt werden müssen. Werden die schmerztherapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft - was nicht immer der Fall ist - dann können rund 90 Prozent aller Tumorpatienten weitgehend schmerzfrei leben. Wer Schmerzen hat, sollte auf keinen Fall die Zähne zusammen beißen, sondern das Thema offen mit dem*der behandelnden Arzt*Ärztin besprechen.

Dasselbe gilt auch für das so genannte Fatigue-Syndrom, an dem viele Krebspatient*innen leiden. Sie fühlen sich erschöpft und ständig müde. Früher dachte man, dass eine gestörte Blutbildung infolge Chemotherapie für diese körperliche Schwäche verantwortlich ist, aber es scheint weit komplizierter zu sein. Offenbar spielt neben verschiedenen anderen Faktoren auch die Art und Weise, wie Patient*innen ihre Krebserkrankung verarbeiten, eine wichtige Rolle.

Hilfe bei der Krankheitsbewältigung

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Die Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung ist ein ganz entscheidender Aspekt bei der Langzeitbetreuung von Menschen, die an Krebs erkrankt sind. Nicht selten fühlen sich Patient*innen in dieser Hinsicht allein gelassen. Zwar engagieren sich Psychoonkolog*innen seit langem dafür, dass Krebskranke psychologisch begleitet werden, aber längst noch nicht alle Patient*innen erhalten entsprechende Hilfsangebote.

Bereits der berühmte griechische Arzt Hippokrates hat die Einheit von Körper und Seele betont, und diese Erkenntnis erfährt aktuell eine Renaissance. Die Diagnose „Krebs“ wirft jeden Menschen aus der Bahn, und er muss wieder zurück in eine Balance finden. Wenn es Krebspatient*innen gelingt, sich - wie auch immer - mit ihrer Erkrankung auszusöhnen, dann ist das nicht nur in psychischer Hinsicht ein Riesenschritt. Zwar steht die Forschung noch am Anfang, aber es gibt doch bereits zahlreiche Hinweise darauf, dass die Psyche einen starken Einfluss auf den Körper hat. Das Immunsystem zum Beispiel reagiert anfällig auf Stress und Angst und lässt sich umgekehrt durch eine psychische Stabilisierung günstig beeinflussen.

Was Krebskranken helfen kann, ihren ganz eigenen Weg der Krankheitsbewältigung zu finden, ist individuell sehr unterschiedlich. „Wir dürfen den Patienten kein starres Konzept überstülpen, wir können nur Angebote machen“, darin sind sich Psychoonkologen einig. Neben Gesprächsangeboten können Meditations- und Entspannungstechniken sowie kreative Tätigkeiten wichtige Impulse für die Krankheitsbewältigung liefern. Aber auch körperliche Bewegung kann Krebskranken helfen, Ohnmacht, Angst und Depression zu überwinden und in ein selbst bestimmtes, aktives Leben zurück zu finden.

Arzt und Patient als Partner

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Wie kaum eine andere medizinische Disziplin ist die Krebsmedizin laufend im Fluss. Aktuell ist die optimale Begleitung chronisch Schmerzkranker ein viel diskutiertes Thema, und immer wieder wird betont, wie wichtig ein guter, vertrauensvoller Austausch - ein partnerschaftlicher Umgang - zwischen Ärzten*Ärztinnen und Patient*innen ist. „Die Mitbestimmung des Patienten spielt natürlich auch in solch einem chronischen Krankheitsverlauf eine enorme Rolle,“ betont Prof. Dr. Florian Lordick, Direktor des Universitätsklinikums Leipzig und Professor für klinische Onkologie im Interview mit krebsgesellschaft.de. Eine in diesem Sinne ganzheitliche Betreuung chronisch Krebskranker ist eine der großen Herausforderungen der modernen Krebsmedizin.

Prof. Dr. Florian Lordick im Interview

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Prof. Dr. Florian Lordick, Direktor des Universitätsklinikums Leipzig erläutert im Interview, bei welchen Krebsarten in den letzten Jahren die größten Therapieerfolge zu verzeichnen waren und welche Besonderheiten es bei der langfristigen Behandlung von Krebspatient*innen gibt.

(vieg)

Quellen: 
[1] Interview mit Prof. Wolfgang Söllner und Prof. Martin Wilhelm: „Wenn Krebs zu einer chronischen Krankheit wird - Es geht in erster Linie um die Erhaltung der Lebensqualität", Nürnberg 2011, Autor: Bernd Siegler
[2] Deutsche Krebshilfe e.V. (Herausgeber): Schmerzen bei Krebs, Die blauen Ratgeber 50, Bonn 2013, Text: Isabell-Annett Beckmann Abrufbar unter: https://www.krebshilfe.de/infomaterial/Blaue_Ratgeber/Schmerzen-bei-Krebs_BlaueRatgeber_DeutscheKrebshilfe.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.08.2022)

 

Letzte inhaltliche Aktualisierung am: 07.03.2023

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Zuletzt aufgerufen am: 28.03.2024 15:56