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Immunonkologie: Mit dem Immunsystem den Krebs bekämpfen

Das Immunsystem ist das Instrument des Körpers zur Bekämpfung von Erregern und geschädigten Zellen. Die Fähigkeiten des körpereigenen Abwehrsystems auch bei Krebszellen zu nutzen, ist mittlerweile bei einigen Krebserkrankungen gelungen. Die Krebsimmuntherapie gilt als großer Hoffnungsträger der Medizin. Doch trotz beeindruckender Erfolge, die vor allem beim schwarzen Hautkrebs und fortgeschrittenen Lungenkrebs erzielt werden konnten, steht die Wissenschaft vor Herausforderungen.

Noch vor einigen Jahren hat die Immuntherapie im Kampf gegen Krebs nur wenige Erfolge verzeichnen können. Dabei ist die Idee, Krebszellen mithilfe des eigenen Immunsystems zu bekämpfen, mehr als einhundert Jahre alt. 1867 legte der Bonner Chirurg Wilhelm Busch eine krebskranke Frau in das leere Bett eines Patienten mit Wundrose. Kurze Zeit darauf schrumpfte der lebensbedrohliche Tumor im Hals der Frau. Medizingeschichte wurde geschrieben [1].
Jedoch erst im 21. Jahrhundert waren die vielfältigen Interaktionen zwischen Krebszellen und dem Immunsystem ausreichend untersucht, um neue Wege in der Krebstherapie zu beschreiten.

Wie sich der Krebs vor dem Immunsystem versteckt

Quelle: © Juan Gaertner - fotolia.com

Das Immunsystem vernichtet zuverlässig Substanzen, die den Körper schädigen können. Generell existieren zwei Varianten der Immunreaktion: Das angeborene Immunsystem richtet sich unspezifisch gegen alle Krankheitserreger und wehrt den Großteil der Infektionen ab. Die erworbene Immunantwort reagiert mithilfe von T- und B-Zellen auf bestimmte Strukturen von Erregern und Zellen, sogenannte Antigene. T-Zellen sind auf ihrer Oberfläche mit Antigenrezeptoren ausgestattet, mit denen sie Antigen-tragende Zellen erkennen und vernichten können. Das erworbene Immunsystem besitzt ein Gedächtnis, das es ihm ermöglicht, ein Antigen wiederzuerkennen und darauf zu reagieren, mit dem es bereits Kontakt hatte.
Krebszellen müssen an ihrer Zelloberfläche Merkmale tragen - sogenannte tumorassoziierte Antigene (TAA) - die sie für das Immunsystem erkennbar machen. Allerdings haben viele Tumorarten Strategien entwickelt ihre bösartige Identität zu verschleiern indem sie beispielsweise keine Antigene präsentieren oder diese als körpereigen erscheinen lassen [2,3].

Wie funktioniert die Immunonkologie?

Arzt berät Patientin
Quelle: © endostock - fotolia.com

Ein zentraler Ansatzpunkt der Immunonkologie sind Checkpoints, sozusagen Kontrollpunkte des Immunsystems, die sich auf den T-Zellen befinden und normalerweise eine überbordende Immunreaktion verhindern. Krebszellen kann es jedoch gelingen, sich diesen Mechanismus zunutze zu machen, um sich zu tarnen. Hier greifen Checkpoint- Inhibitoren, sie lösen die krebsbedingte Blockade wieder auf und stimulieren das Immunsystem, um Tumorzellen zu erkennen und zu vernichten [2,4]. Als erstes Medikament wurde 2011 der Checkpoint-Hemmer Ipilimumab beim schwarzen Hautkrebs zugelassen [5]. Als weiterer Checkpoint-Hemmer ist seit 2015 Nivolumab beim fortgeschrittenen Lungenkrebs als Medikament erhältlich, da es in klinischen Studien die Lebenserwartung deutlich verbessern konnte [6].

Nebenwirkung: Autoimmunreaktion

Bei der Immuntherapie ist es entscheidend eine Balance zwischen Stimulierung und Hemmung des Immunsystems zu finden, um den negativen Folgen eines überaktiven Immunsystems  - wie beispielsweise bei Autoimmunerkrankungen – zu entgehen. Aufgrund von Alterationen der immunologischen Abwehr können erhebliche Nebenwirkungen auftreten: Entzündungen der Hirnanhangsdrüse, der Augen, des Darms oder der Haut, sodass die Behandlung bei einigen Patienten abgebrochen werden muss [7,8].
Kopfzerbrechen bereitet den Medizinern auch die Ansprechrate. Warum die Immuntherapie bei einigen Patienten nicht wirkt, ist immer noch unklar. In entnommenen Gewebeproben des Tumors wird nach Merkmalen geforscht, die vorhersagen können, ob der Patient immunonkologisch behandelt werden kann, allein schon aus finanziellen Gründen. Schließlich sind die Kosten mit ca. 150.000 Euro pro Patient sehr hoch [9].

Die Zukunft der Immuntherapie

Quelle: © Pilipipa - fotolia.com

Immunsysteme gegen den Krebs zu mobilisieren, um lang anhaltende Erfolge zu generieren, steht im Fokus der aktuellen Forschung. Beim Nierenkrebs und dem malignen Lymphom stehen verheißungsvolle immunonkologische Medikamente bereits in den Startlöchern [10,11]. Neben der Aktivierung von T-Zellen durch Checkpoint-Inhibitoren und bispezifischen T-Zell-aktivierenden Antikörper, ist insbesondere der Ansatz der adoptiven T-Zell-Therapie eine weitere erfolgversprechende Strategie. Hier werden T-Zellen aus dem Körper des Patienten entnommen, um sie ex vivo mit Tumor-spezifischen T-Zellrezeptoren auszustatten, damit sie gegen die Krebszellen wirksam vorgehen können. Aussichtsreich sind dabei auch die chimären Antigenrezeptor (CAR) Therapien, bei denen peripher-entnommene T-Zellen der Patienten gentechnisch mit einem chimären Antigenrezeptor modifiziert werden und die veränderten T-Zellen anschließend dem Körper des Patienten zurückgegeben werden. Dort „suchen“ die veränderten T-Zellen nach dem entsprechenden Antigen, z.B. dem Antigen CD19, welches von den meisten B-Zell-Malignomen getragen wird, um anzudocken und diese zu zerstören. In mehreren Anti-CD19-CAR T-Zelltransfer Therapiestudien konnte bei Patienten mit akuten prä-B-Zell Leukämien (ALL), chronischen lymphatischen Leukämien (CLL) oder B-Zellmalignomen eine Remissionsquote von 30-90% erreicht werden [12].
Aber die Herausforderungen der Krebsmedizin richten sich nicht nur darauf, neue Medikamente zu entwickeln, sondern es wird darüber hinaus auch untersucht, ob mittels Kombination von Immuntherapien mit konventionellen Behandlungsmethoden, wie der Strahlen- und Chemotherapie oder der gekoppelten Anwendung von zwei Immuntherapien, die Behandlungserfolge nachhaltig verbessert werden können [12]. Es müssen jedoch auf molekularer Ebene noch viele Details über die komplexen Mechanismen des Immunsystems gelernt werden, bevor die meisten Krebsarten wirkungsvoll mit der körpereigenen Abwehr bekämpft werden können.

(fl)

Fachberatung: Priv. Doz. Dr. Uta E. Höpken, Max-Delbrück-Center for Molecular Medicine (MDC), uhoepken@mdc-berlin.de

 

Service und Linktipps:

 

Quellen:

[1] Zur Hausen, H. Rede von Professor Dr. Harald zur Hausen anlässlich der Verleihung des Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter Preises 2015. Paulskriche Frankfurt am Main, 14.März 2015. https://www.uni-frankfurt.de/54683629/NEURede_Eroeffnung_zurHausen.pdf; letzter Zugriff am 08.01.2016
[2] Sankawa Y. Oncology Research and Treatment 2014;37(suppl4):2-5
[3] Dunn GP et al. Immunity 2004; 21(2): 137– 48
[4] Guevara-Patino JA et al. Adv Cancer Res 2003; 90: 157–77
[5] Eggermont A et al. J Cancer 2011; 47:2150-57
[6] Brahmer J et al. NEJM 2015;373(2):123-35
[7] Fachinformation Nivolumab: http://www.fachinfo.de/suche/fi/020736; letzter Zugriff am 08.01.2016
[8] Fachinformation Ipilimumab: http://www.fachinfo.de/suche/fi/013182; letzter Zugriff am 08.01.2016
[9] Hamberger B.Immuntherapie bei Lungenkrebs. 30. August 2015; http://www.gesundheitsstadt-berlin.de/immuntherapie-bei-lungenkrebs-drei-monate-laenger-leben-7184/; letzter Zugriff: 08.01.2016
[10] http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/64298/Nivolumab-und-Cabozantinib-Zwei-neue-Wirkstoffe-bei-Nierenkrebs-wirksam; letzter Zugriff am 08.01.2016
[11] http://www.cancerresearch.org/cancer-immunotherapy/impacting-all-cancers/lymphoma; letzter Zugriff am 08.01.2016
[12] Kobold S et al. Dtsch Arztebl Int 2015;112(48):809-15

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