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Individualisierte Schmerztherapie

Quelle: © Robert Kneschke - fotolia.com
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Schmerz ist eine komplexe Empfindung. Der menschliche Körper besitzt ein weitverzweigtes Netzwerk aus Schmerzrezeptoren und Schmerzleitungen. Schmerzen können bei Krebserkrankungen durch die Ausbreitung eines Tumors oder auch durch unerwünschte Begleiterscheinungen von Therapien verursacht werden. Um das Schmerzerleben adäquat behandeln zu können, ist es notwendig, eine individuelle Schmerztherapie durchzuführen. Die Mitarbeit der Betroffenen ist dabei unerlässlich.

Jedes Jahr erkranken in Deutschland mehr als 470.000 Menschen an Krebs [1]. Bei vielen Menschen ist die Diagnose Krebs mit der Angst vor starken Schmerzen verbunden.
Die Möglichkeiten einer präzisen Schmerzdiagnostik und -behandlung haben sich in den letzten Jahren jedoch deutlich verbessert, sodass heutzutage bei jedem Krebskranken eine Schmerzlinderung und bei 90% der Patienten sogar eine Schmerzfreiheit erreicht werden kann [2].

Was ist Schmerz?

Die Internationale Vereinigung zur Untersuchung des Schmerzes (IASP) definiert Schmerz als ein „unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder möglicher Gewebeschädigung verknüpft ist“ [3]. Millionen von Schmerzrezeptoren im Bereich der Haut, Muskulatur und an der Oberfläche von inneren Organen melden eine Verletzung, indem sie elektrische Impulse aussenden. Diese Impulse werden über Nervenfasern, das Rückenmark und das Stammhirn in den vorderen Teil des Gehirns, den präfrontalen Kortex, geleitet, gelangen dort zum Bewusstsein und werden auf ihre Bedeutung, Stärke und Bedrohlichkeit beurteilt.

Dabei unterscheidet die Medizin zwischen drei unterschiedlichen Schmerzsignalen. Nozizeptive Schmerzen werden unter anderem durch Rezeptoren an der Haut, der Knochenhaut und den Gelenken verursacht, viszerale Schmerzen entstehen an den Schmerzrezeptoren innerer Organe und neuropathische Schmerzen werden durch Reizungen von Nervenbahnen aktiviert [4].

Schmerzdiagnostik

Quelle: © Ivan Kruk - fotolia.com
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Um Schmerzen erfolgreich behandeln zu können, ist es notwendig, im Vorfeld der Therapie eine gezielte individuelle Schmerzdiagnostik durchzuführen. Hilfreich ist es, wenn der Patient ein Schmerztagebuch führt, das ihm selbst sowie dem Arzt ermöglicht, den Verlauf sowie Erfolg der Schmerzbehandlung zu beurteilen.  

Schmerzfragebögen spielen neben dem Arzt-Patienten-Gespräch eine entscheidende Rolle. In den Fragebögen werden die Patienten nach ihren Schmerzepisoden befragt, d.h. nach ihren persönlichen Empfindungen zur Stärke des Schmerzes, zur Häufigkeit ihres Auftretens, zur Lokalisation oder ob die Schmerzen in Zusammenhang mit auslösenden Ereignissen und Tätigkeiten, zum Beispiel Mahlzeiten oder gewissen Bewegungen, auftreten. Zudem werden in der Schmerzdiagnostik bei Bedarf auch bildgebende Verfahren wie Röntgen, Computer- oder Magnetresonanztomographie eingesetzt. Die präzise Zuordnung des Schmerzes ist bedeutsam, da die verschiedenen Schmerzarten auf unterschiedliche Medikamente ansprechen und unterschiedliche Konzepte ihrer Behandlung gewählt werden können [4].

Medikamentöse Schmerztherapie

Quelle: © PixelPower fotolia.com
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Dem individuellen Schmerzprofil eines Patienten angepasst erfolgt dann die schmerztherapeutische Behandlung. Ziel einer Tumorschmerztherapie ist es zu verhindern, dass Schmerzimpulse ausgelöst, weitergeleitet oder verstärkt werden.

Der Tumor oder seine Metastasen verursachen insbesondere im fortgeschrittenen Stadium entzündliche Gewebeschäden. Die Krebszellen sowie die durch die Gewebeschädigungen angegriffenen Körperzellen schütten Botenstoffe aus, die die Schmerzrezeptoren aktivieren. Schmerzmedikamente sollen verhindern, dass Entzündungsstoffe die Schmerzrezeptoren sowie die weiterführenden Nervenfasern anregen. 

Ein anderer therapeutischer Ansatz ist es, die Weiterleitung von Tumorschmerzen durch bestimmte Nervenstränge zu blockieren. Nervenblockaden durch Einbringen von Medikamenten an dem Ort der Scherzentstehung oder Weiterleitung können bei lokal auftretenden Schmerzen wie dem fortgeschrittenen Bauchspeicheldrüsenkrebs sinnvoll sein. Auch lokale Schmerzen aus dem Bereich der Arme oder Beine oder des Brustkorbs lassen sich so zum Teil effektiv unterbinden. Lokal wirkende schmerzhemmende Medikamente werden oft auch bei schmerzhaften Rippenmetastasen in die entsprechende Brustkorbregion gespritzt und führen zu einer Schmerzentlastung. Die Schmerzrezeptoren werden unempfindlich gemacht und es findet keine Weiterleitung der Schmerzimpulse zum Rückenmark mehr statt. 

Die meisten Schmerzmedikamente (Analgetika) wirken nicht nur an den Schmerzrezeptoren, sondern blockieren darüber hinaus auch an den Zentren im Rückenmark die Weiterleitung der Schmerzimpulse. Opioide, zu denen Morphin oder morphinverwandte Schmerzmittel zählen, docken an Rezeptoren in der unmittelbaren Umgebung der Nervenschaltstellen des Rückenmarks und des Stammhirns an. Verbinden sich die Schmerzmittel mit diesen Rezeptoren, werden die Schmerzimpulse gedämpft oder ganz unterbunden. Bei starken Schmerzen kann eine Opioid-Therapie unter ärztlicher Kontrolle zum Teil über Jahre erfolgen. Das von Laien befürchtete Auslösen von Abhängigkeit und Suchtverhalten spielt bei einer richtig angewandten und ärztlich begleiteten Schmerztherapie nicht die geringste Rolle. Diesbezügliche Bedenken sind vollständig unbegründet [2].

Multimodale Schmerztherapie

Entscheidend für eine erfolgreiche Schmerztherapie ist in manchen Situationen ein interdisziplinäres Konzept, das neben der medikamentösen Behandlung auch psychosoziale sowie physiotherapeutische Interventionen mit einschließt, bei denen der Krebspatient aktiv mitarbeitet. So werden psychotherapeutische Einzelgespräche und Gruppentherapien angeboten, bei denen Krankheits- und Schmerzbewältigungsstrategien erlernt werden können. Außerdem unterstützen physiotherapeutische Körper- und Bewegungserfahrungen die Schmerzbewältigung und ermöglichen Entspannungsmomente.

 

Fachberatung: Prof. Florian Lordick (Leipzig)

(dw)

Quellen:

[1] Robert-Koch-Institut. Zentrum für Krebsregisterdaten. http://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Krebs_gesamt/krebs_gesamt_node.html;
jsessionid=2E711768E3CFE1122BB8AA815796FD56.2_cid390; letzter Zugriff 21.7. 2016 

[2] Die blauen Ratgeber. Schmerzen bei Krebs. Deutsche Krebshilfe. Stand 06/2016 

[3] http://www.iasp-pain.org/; letzter Zugriff am 21.07.2016 

[4] http://www.dgss.org/patienteninformationen/schmerzerkrankungen/tumorschmerz/; letzter Zugriff am 21.07.2016

Service und Link-Tipps:

 

Letzte inhaltliche Aktualisierung am: 29.07.2016

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