Pressearchiv 2019

 

Leitlinie zur Diagnose und Behandlung des Ösophaguskarzinoms aktualisiert

Berlin, 15.01.2019. Etwa 5700 Männer und 1700 Frauen sind nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts im Jahr 2018 neu an Speiseröhrenkrebs erkrankt – damit zeigen die Erkrankungszahlen eine steigende Tendenz. Speiseröhrenkrebs ist aufgrund seiner Lage und wegen häufiger Begleiterkrankungen komplex in der Therapie und muss interdisziplinär behandelt werden. Daher kommt der Leitlinie, die das diagnostische und therapeutische Vorgehen beim Ösophaguskarzinom fächerübergreifend regelt, eine besondere Bedeutung zu. Drei Jahre nach ihrer Erstfassung wurde der Text nun von einem Expertengremium aktualisiert. Zukünftig soll die Leitlinie – gemäß dem Konzept einer „living guideline“ – kontinuierlich aktualisiert werden. Die aktuelle Leitlinie entstand im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie und unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS).

"Gemäß des ‚living guideline‘-Ansatzes werden wir die Leitlinie zukünftig jährlich auf Basis aktueller Studiendaten, neuer Publikationen und Rückmeldungen aus den Leitliniengruppen prüfen und gegebenenfalls überarbeiten“, sagt Professor Dr. med. Rainer Porschen, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Klinikum Bremen Ost und Koordinator der aktuellen Leitlinie. „So stellen wir sicher, dass aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse rasch in den klinischen Alltag überführt werden und unsere Patienten von einer Behandlung nach neuestem wissenschaftlichen Standard profitieren.“

Da die Erstfassung der Leitlinie erst drei Jahre alt ist, waren in der aktuellen Fassung keine grundlegenden Veränderungen notwendig. „Gleichwohl haben wir einige Empfehlungen an die aktuelle Studienlage angepasst“, so Porschen. So liegen etwa neue Erkenntnisse zu Risikofaktoren vor, die die Entstehung eines Ösophaguskarzinoms begünstigen. Aktuelle Studien stützen die Annahme, dass Alkohol das Risiko für ein Plattenepithelkarzinom – eines der beiden Typen des Ösophaguskarzinoms – erhöht. Die Evidenz hierfür wurde daher von Stufe 3a auf 2b angehoben. „Ausschlaggebend hierfür war eine Studie aus Südafrika, die einen deutlichen, dosisabhängigen Anstieg des Karzinomrisikos durch Alkohol belegt“, erläutert Porschen. Wer im Tagesdurchschnitt mehr als 53 g Alkohol zu sich nimmt, hat demnach ein rund 5-fach erhöhtes Karzinomrisiko. Bei Menschen, die zusätzlich stark rauchen, steigt das Risiko sogar auf das 8,5-Fache.  

Auch das Risiko, das von einer bestehenden Refluxkrankheit ausgeht, wird nun mit einem höheren Evidenzgrad bewertet. „Die aufsteigende Magensäure schädigt und verändert die empfindliche Schleimhaut der Speiseröhre“, sagt Porschen. Aus den so verursachten Läsionen entwickele sich deutlich leichter ein Tumor als aus gesundem Gewebe. Die Analyse einer US-Datenbank hat diesen Zusammenhang nun mit weiteren Zahlen untermauert: Etwa 13 Prozent der Adenokarzinome – neben dem Plattenepithelkarzinom der zweite Tumortyp im Ösophagus – gehen demnach auf einen chronischen Reflux zurück.

Im Bereich der Diagnose betonen die Experten nun noch stärker die Bedeutung, die unterstützenden Verfahren bei der Endoskopie zukommt. Wie Studien gezeigt haben, lassen sich Tumorherde oder Krebsvorstufen deutlich zuverlässiger erkennen, wenn die Schleimhaut vor der Untersuchung angefärbt wird (Färbe-Spray-Chromoendoskopie) oder das verwendete Farbspektrum im Rahmen einer virtuellen Chromoendoskopie digital verändert wird. „Um maligne Veränderungen sicher zu diagnostizieren, ist aber immer auch eine Biopsie notwendig“, betont Porschen und weist auf eine weitere Modifikation der Leitlinie hin: Ist bei einem Patienten die Schleimhaut bereits durch eine Refluxkrankheit verändert, soll die schwierige Beurteilung der Biopsie immer durch mindestens zwei Ärzte vorgenommen werden, um Fehldiagnosen zu vermeiden.

Letztlich wurden auch die Empfehlungen zur chirurgischen Therapie leicht modifiziert: Hier wird nun explizit auch auf die Resektion von subkardialen Tumoren eingegangen, die hauptsächlich die Magenschleimhaut knapp unterhalb der Speiseröhre betreffen (AEG Typ III). In diesem Fall wird eine operative Entfernung des kompletten Magens empfohlen.

Die aktualisierte Leitlinie ist hier abrufbar.

 

Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)
Die DGVS wurde 1913 als wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet. Heute vereint sie mehr als 6000 Ärzte und Wissenschaftler aus der Gastroenterologie unter einem Dach. Die DGVS fördert sehr erfolgreich wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Verdauungsorgane – zum Wohle des Patienten. Mehr unter www.dgvs.de.

Das Leitlinienprogramm Onkologie (OL)
Leitlinien sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für Leistungserbringer und Patienten zur angemessenen Vorgehensweise bei speziellen Gesundheitsproblemen. Sie stellen ein wesentliches Instrument zur Förderung von Qualität und Transparenz medizinischer Versorgung dar. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF), die Deutsche Krebsgesellschaft e. V. und die Deutsche Krebshilfe haben sich mit dem im Februar 2008 gestarteten Leitlinienprogramm Onkologie das Ziel gesetzt, gemeinsam die Entwicklung und Fortschreibung sowie den Einsatz wissenschaftlich begründeter und praktikabler Leitlinien in der Onkologie zu fördern und zu unterstützen. Mittlerweile umfasst das Leitlinienprogramm mehr als 25 S3-Leitlinien, die zu einem großen Teil auch als laienverständliche Patientenleitlinien vorliegen. Mehr unter www.leitlinienprogramm-onkologie.de.


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